Angeblich ist eine gute Planung ja alles, aber … Mittlerweile habe ich es aufgegeben, die Begriffe für meinen Wortliebe-Montag vorzuplanen. Denn meist kommt mir spontan ein ganz bestimmtes Wort in den Sinn, über das ich dann einfach schreiben MUSS.

So auch gestern beim obligatorischen Sonntagsspaziergang. Nach einem Blick auf den Nord-Ostsee-Kanal im trüben Nebel, einer kurze Pause auf dem blätterbedeckten Spielplatz und dem Einsammeln etlicher Kilo Kastanien war klar, das Wort der Woche wird:

🍁 herbsten 🍁

Hallo Oktober! Oh ja, es herbstet!

Spätestens mit dem Beginn des goldenen Oktobers ist es nicht mehr zu verleugnen: Es herbstet gewaltig! Die Blätter verfärben sich, Eichen und Kastanienbäume werfen ihre Früchte ab und es wird so langsam Zeit, die dicken Jacken und Strumpfhosen wieder hervorzuholen.

Aber zurück zum Wort der Woche:

„Herbsten“ ist so ein Wort, bei dem ich noch ganz genau weiß, wann ich es zum ersten Mal gehört habe. Denn anders als etwa das Verb „weihnachten“ (wie in: „Es weihnachtet sehr.“) war mir „herbsten“ lange Zeit nicht geläufig. Dabei ist das Verb mit der Bedeutung „allmählich Herbst werden“ doch recht praktisch – zumindest, wenn man im Sinne eines ökonomischen Sprachgebrauchs nicht viele Worte verlieren möchte. 😉

Ganz schön kurios: Um das deutsche Verb „herbsten“ kennenzulernen, bedurfte es in meinem Fall eines Skandinavistik-Studiums. Gleich im ersten Semester stand nämlich das Proseminar „Einführung in das Altisländische“ auf dem Plan. Für viele Studierende ein Graus, mir hingegen hat es wahnsinnigen Spaß gemacht, diese Sprache zu lernen.

Ein Text, den wir übersetzen mussten, enthielt das Verb „hausta“. Ich weiß leider nicht mehr, um welchen Text es ging, daher zeige ich dir ein Beispiel aus der Saga von Egill Skalla-Grímsson (Egils saga Skalla-Grímssonar), denn eine Textausgabe dieser berühmten Isländersaga steht in meinem Bücherregal. 😍 In Kapitel 48 heißt es dort:

En er haustaði, sigldu þeir Þórólfr norðr fyrir Nóreg ok koma fram í Fjǫrðum, fara á fund Þóris hersis.

Egils saga Skalla-Grímssonar, hrsg. von Sigurður Nordal, Reykjavík 1933 (= Íslenzk Fornrít II. Hið Íslenzka fornrítafélag, Reykjavík 1933-), S. 122.

Zum Vergleich die Übersetzung:

Und als es Herbst wurde, segelte Þórólf mit seinen Leuten nordwärts an der norwegischen Küste entlang, und sie kommen nach Fjordane und suchen den Hersen Þórir auf.

Isländersagas, Bd. 1, herausgegeben von Klaus Böldl, Andreas Vollmer und Julia Zernack, Frankfurt am Main 22011, S. 158.

Als unsere Dozentin damals „haustaði“ mit „herbstete” übersetzte, wurde ich stutzig. Um ehrlich zu sein, dachte ich sogar, sie hätte dieses „herbsten“ erfunden. 😬 In meinen Ohren klang es einfach ziemlich seltsam. Ein Blick in den Duden zeigte aber: „Herbsten“ ist im Deutschen ein ganz normales Wort. Ups.

Übrigens: Der Begriff „herbsten“ kann auch den Vorgang der Traubenernte (Weinlese) bezeichnen.

Noch herbstet es, bald wird es …?

Richtig geraten! Schon bald wird es wintern! Dieses Verb gibt es nämlich auch, wie ich bei der Recherche für diesen Blogartikel gelernt habe.

Bis es wieder so richtig sommert, dauert es allerdings noch ein bisschen. Ja, auch wenn es Sommer wird, kannst du das mit einem Verb ausdrücken.

Und was ist mit dem Frühjahr? Heißt es vielleicht „frühlingen“ oder „frühjahren“? Nein, das klingt nun doch etwas weit hergeholt, oder? Versuchen wir es mal mit „Lenz“, dem Synonym für Frühling. Und siehe da, tatsächlich gibt es das Verb „lenzen“.

Und jetzt bin ich neugierig …

Kanntest du das Verb „herbsten“? Wenn ja, in welcher seiner beiden Bedeutungen ist es dir schon einmal begegnet? Oder gehört „herbsten“ gar zu deinem Standard-Wortschatz und meine damalige Wissenslücke ist in deinen Augen ein unentschuldbarer Fauxpas? 😮

🦊Ich wünsche dir eine Woche voller magischer Herbstmomente! 🍁

Abbildungsnachweis:
Kastanien: Foto von Elviss Railijs Bitāns: https://www.pexels.com/de-de/foto/person-die-frische-kastanie-halt-1448673/
Blätter: Foto von Alex Rusin: https://www.pexels.com/de-de/foto/foto-von-herbstlaub-3270593/

Dieser Beitrag hat 4 Kommentare

  1. Uta Wegener

    Herbsten, es sommert… höre ich tatsächlich auch zum ersten Mal. Hört sich irgendwie komisch an. 😄

    1. Katja

      Ich muss sagen, „sommern“ finde ich auch seltsam. 😜
      Mit „herbsten“ hingegen kann ich mich anfreunden. 🍁

      In jedem Fall freue ich mich, dass ich nicht die Einzige bin, die sich über „herbsten“ und Co. gewundert hat. 😂

  2. Julia Otterbein

    Danke für diesen interessanten Blogbeitrag!
    Das Wort herbsten kannte ich bisher noch nicht… Aber es gefällt mir und ich nehme es gerne in meinen Wörterschatz auf.

    1. Katja

      Herzlichen Dank für dein Feedback, Julia!

      Immer wieder spannend, was selbst die eigene Muttersprache an Überraschungen bereithält. ❤️

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